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isabel.kranz@univie.ac.at
Dr. Kranz ist Leiterin des Projekts "Literarische Botanik" (finanziert von der Fritz Thyssen Stiftung für Wissenschaftsförderung) am Institut für Germanistik der Universität Wien. Von 2014 bis 2016 war sie als Postdoktorandin am Kolleg tätig.
Abstract des Forschungsprojekts
Literarische Botanik. Pflanzen als Wissensfiguren 1700–2000
Zu Beginn des von Michel Foucault als klassisch bezeichneten Zeitalters kommt in Frankreich ein ideographisches Zeichensystem auf der Basis von Blumen auf – die sogenannte Blumensprache. Sie beruht auf der Idee, durch die Zusammenstellung von bestimmten Blüten geheime Nachrichten kodieren zu können. Parallel zu dieser letztlich rhetorischen Traditionen entstammenden Blumensprache findet eine folgenreiche Verwissenschaftlichung floraler Zeichen statt. Denn seit Carl von Linnés Klassifikation des Pflanzenreichs spielen Blüten in der aufkommenden Disziplin der Botanik eine entscheidende Rolle: Als Indikatoren der Zugehörigkeit einzelner Pflanzen zu übergeordneten Klassen und Arten strukturieren sie die Nomenklatur der Flora und damit die sprachliche Ordnung des Pflanzenreiches.
Ausgehend von dieser doppelten rhetorisch-taxonomischen Gründungsszenerie erkundet das Projekt epistemische Ordnungsmomente ›durch die Blume‹ von 1700 bis 2000. Im Unterschied zu einer politischen Zoologie zielt der Zusammenhang zwischen Literatur und Botanik, wie ihn das vorliegende Projekt verfolgt, nicht primär auf neues Wissen über die anthropologische Differenz ab, sondern rückt Fragen der Sprachen- und Geschlechterordnung in den Vordergrund. Blumen werden hierbei als Indikatoren verstanden, die Prozesse von Übertragung und Übersetzung ins Bild setzen. Leitende These ist, dass dort, wo sie auftauchen, stets auch andere Ordnungen als die florale verhandelt werden. Ziel ist es, mit Blick auf die Wissenspraxen sowohl der Literatur als auch der Botanik solche Stellen in botanischen, ästhetischen und kulturellen Diskursen vom späten 17. Jahrhundert bis in die Gegenwart zu ermitteln, an denen Blumen explizit thematisiert und dadurch zugrunde liegende Ordnungsmechanismen zur Disposition gestellt werden.
Hierzu untersucht das Projekt eine breite Materialbasis, die von literarischen Texten über audiovisuelle Medien bis hin zu naturwissenschaftlichen Quellen reicht. Sein theoretisches Rüstzeug bezieht das Vorhaben aus Rhetorik und Semiotik ebenso wie aus der Medien- und Wissenschaftsgeschichte der Biologie. Diese disziplinären Bereiche werden jedoch nicht als feststehende Entitäten verstanden: Vielmehr soll anhand des Untersuchungsobjekts Blumen die gleichzeitige Etablierung von Gegenständen des Wissens und von wissenschaftlichen Disziplinen herausgearbeitet werden.
Publikationen
Monographien
Sprechende Blumen. Ein ABC der Pflanzensprache. Band 11 der Reihe Naturkunden, hg. von Judith Schalansky. Berlin: Matthes & Seitz, 2014.
"Raumgewordene Vergangenheit". Walter Benjamins Poetologie der Geschichte. München: Fink, 2011.
Herausgeberschaften (Auswahl)
Isabel Kranz (Hg.): Was wäre wenn? Alternative Gegenwarten und Projektionen in die Zukunft um 1914. München: Fink, 2016.
Aufsätze (Auswahl)
"Presque une féerie: Le roman de Pierre Loti Madame Chrysanthème (1887)". In: Jörg Dünne und Gesine Hindemith (Hgg.): Lendemains. Études comparées sur la France, Sonderheft "La féerie autour de 1900 – une figure de la modernité?", Tübingen: Narr, 2014, S. 19–32.
"Über die günstigen Erfolge der Wechselbefruchtung. Adaption und Adaptation". In: Jörg Dünne, Martin Jörg Schäfer, Myriam Suchet und Jessica Wilker (Hgg.): Les Intraduisibles/Unübersetzbarkeiten: Sprachen, Literaturen, Medien, Kulturen/Langues, Littératures, Médias, Cultures, Paris: Collection du CéP, Editions des Archives contemporaines, 2013, S. 355–369.
"Die stumme Sprache der Blumen: Selamographie in Pixerécourts Les Ruines de Babylone, ou le Massacre des Barmécides (1810)". In: Bettine Menke, Armin Schäfer und Daniel Eschkötter (Hgg.): Das Melodram. Ein Medienbastard, Berlin: Verlag Theater der Zeit, 2013, S. 75–95.