Graduiertenkolleg Funktionen des Literarischen in Prozessen der Globalisierung
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Matthias Kandziora

Dr. Matthias Kandziora

Alumnus

Kontakt

Dr. Kandziora war von 2016-2020 als Doktorand und 2020 als Post-Doc mit Anschubförderung am Graduiertenkolleg tätig.

Abstract des Forschungsprojekts

Kritische Literatur der Moderne. Von Goethe bis Brecht

Das Projekt spürt dem kritischen Impetus nach, der sich in der Literatur der Moderne zeigt und der durch ihre Formen verwirklicht wird. Ausgehend von der Kritischen Theorie Walter Benjamins und Theodor W. Adornos werden verschiedene Autoren gelesen, deren Werken selbst ein genuin kritischer Anspruch eingeschrieben ist. Da Benjamin und Adorno ihre Theorien oftmals aus literarischen Gegenständen gewinnen, deren Analyse sie meist mit einer Konstruktion der Moderne verbinden, fasst das Projekt den Begriff der Moderne möglichst breit und versucht so die Anfänge der Moderne gleichsam einzuholen. In der Beschäftigung mit Goethe, E.T.A. Hoffmann, Heine, Kafka, Th. Mann und Bertolt Brecht, die das Kernkorpus des Projekts bilden, wird versucht, eine Theorie kritischer Schreibweisen zu entwickeln. So soll das Projekt gleichermaßen einen Beitrag zur Erforschung der Literatur der Moderne, zur Kritischen Theorie sowie zu Fragen der Interdependenz von Gesellschaft, Ästhetik und Politik leisten.


Abstract des Dissertationsprojekts

Christa Wolf und Durs Grünbein. Ostdeutsche Selbstbilder nach 1989

Seit dem Ende des real existierenden Sozialismus kommt es zu einem regelrechten DDR-Boom in der Literatur, von dem allein die zahlreichen Buchpreise der vergangenen Jahre für solche Texte zeugen. Im Anschluss an diese Beobachtung wendet sich das Projekt zwei Autoren zu, die unterschiedlich stark im Fokus einer Debatte um Post-DDR-Literatur stehen: Christa Wolf und Durs Grünbein.
Ausgehend von der These, dass Identität immer schon eine Unmöglichkeit ist und sich vielmehr in kleinteiligen Prozessen der Identifizierung, die stets durch Retrospektion und futurischen Entwurf bedingt sind, niederschlägt, werfe ich mit meinem Dissertationsprojekt einen Blick auf Christa Wolf und Durs Grünbein. Besonders stehen Wolfs »Stadt der Engel« und Grünbeins »Die Jahre im Zoo« im Fokus der Arbeit, da sich anhand dieser beiden autodiegetischen Erzählungen die Prozesse von Identifizierung besonders gut nachvollziehen lassen. Die Texte beschäftigen sich stets mit den Erinnerungen an die ‚untergegangene‘ DDR und reflektieren diese im Kontext einer neuen globalen Welt, wie sie sich seit 1989 (auch) für die Ostdeutschen entfaltet hat. Dabei entwickeln Wolf und Grünbein in der Ambivalenz von Retrospektion der eigenen Vergangenheit und Konfrontation mit der Globalisierung neue – wenngleich auch unterschiedliche – ostdeutsche Identifizierungen. An den Werken Grünbeins und Wolfs sind überdies die intensiven intertextuellen Beziehungen zur Literatur der klassischen Moderne bemerkenswert. Damit greifen die Schreibenden auf literarische Krisenerfahrungen zurück, um so die eigenen Selbstbilder, die gerade angesichts des Umbruchs von 1989 ebenfalls krisenhaft sind (bzw. schon immer waren und jetzt so auch reflektiert werden), in eine literarische Tradition zu stellen; hinzu kommt ein hoher Grad an Selbsttheoretisierung, der über weitere Intertextualitäten in die Texte eingewoben wird.
Aus diesem Grund schließt das Projekt in seinen theoretischen Überlegungen vornehmlich an Sigmund Freud, Walter Benjamin, Theodor W. Adorno und Jacques Derrida an. Mit Hilfe ihrer Schriften entwerfe ich eine Theorie der Identifizierung, die auch jenseits der Texte Wolfs und Grünbeins Bestand hat und die Identifizierungen stets als (fehlschlagende) Versuche versteht, das Phantasma von Identität herzustellen.
Mit kurzen Blicken auf Uwe Tellkamps »Der Turm« und Jana Hensels »Zonenkinder« zu Beginn und zum Abschluss der Arbeit gewinnt das Projekt zudem eine breiteren Perspektive auf die Post-DDR-Literatur, die überdies im theoretischen Teil zusätzlich gerahmt wird. Post-DDR-Literatur ist dabei als ein Teil der Literatur der Gegenwart zu verstehen, die durch ihr Sujet – die Beschäftigung mit einem untergangen Staat, der mit einem anderen ‚vereint‘ wurde, sowie mit der gesellschaftlichen Umbruchserfahrung, die bis in die Gegenwart ausstrahlt - eine Besonderheit darstellt und die Frage von literarischen Selbstbildern besonders transparent verhandelt. Wolfs und Grünbeins Texte werden dabei als paradigmatische Vertreter eines solchen Schreibens verstanden.

Publikationen:

Bücher

Christa Wolf und Durs Grünbein. Ostdeutsche Selbstbilder nach 1989 (=Untersuchungen zur deutschen Literaturgeschichte. Bd. 161), Berlin/Boston: De Gruyter 2021.

Aufsätze

„Der Phallus und der Drache. Psychoanalytische Dimensionen bei Game of Thrones“, in: Conrad, Maren (Hrsg.): Moderne Märchen. Populäre Variationen in jugendkulturellen Literatur- und Medienformaten der Gegenwart, Würzburg: Königshausen & Neumann 2020, S. 41-68.

„Erinnerte Überwachung? Doppelte Überwachungsszenen in Christa Wolfs Stadt der Engel“, in: Schüller, Liane/Jung, Werner (Hrsg.): Orwells Erben. Überwachungsnarrative, Bielefeld: Aisthesis 2019, S. 127-146.