Graduiertenkolleg Funktionen des Literarischen in Prozessen der Globalisierung
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Anna Sophia Nübling, M.A.

"Das Ende von Raum und Zeit." Globalität in Gegenwartswahrnehmungen und Zukunftsvorstellungen, 1880-1914

Abstract des Dissertationsprojekts

In meinem Dissertationsprojekt untersuche ich den Zusammenhang zwischen dem intensiven Zukunftsdiskurs in Europa und den USA um 1900 und einem sich verdichtenden Bewusstsein für weltumspannende und -transformierende Prozesse, insbesondere Konzeptualisierungen von Globalität in Zukunftsvisionen. Damit soll das Projekt einen Beitrag leisten zu einer Ideen- oder Vorstellungsgeschichte von Globalisierung.

Ausgangspunkt meines Dissertationsprojekts ist die Beobachtung, dass Zukunftsvorstellungen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts Prozesse beschreiben und reflektieren, die heute als Globalisierung bezeichnet werden. Zukunft wird um 1900 zum Imaginationsraum globaler Weltentwürfe. Die Vision vom Ende von Zeit und Raum, durch das die Erde zu einem „einzigen Ort“ werden wird, ist dabei nur eine von verschiedenen Möglichkeiten Zukunft global zu denken. An diesem Beispiel wird jedoch deutlich, dass das Reden über Globalisierung sich Vorstellungen und Denkfiguren bedient, in denen dieser Prozess verhandelt und erst (mit) hergestellt wird. Visionen von der totalen Integration der ganzen Welt in ein einziges verkehrs- und medientechnisches Verbundsystem, der grenzenlosen Erreichbarkeit und des Zugangs waren schon um 1900 Motive einer auf der Analyse gegenwärtiger Entwicklungen beruhenden Vorstellung von (sich in Zukunft verdichtender oder erst herzustellender) Globalität. In diesem Sinne verschränken sich Globalisierung als historischer Vorgang und als „Phantasma der Literatur“ (Krajewski, Restlosigkeit, 55).

Über die inhaltliche Analyse hinaus möchte ich den Zusammenhang von Prozessen der Globalisierung und Zukunftsdenken im besonderen Modus der (globalen) Zukunftsvision selbst zum Untersuchungsgegenstand machen: Wie bedingt das spezifische Moment der historischen Globalisierung um 1900 gerade diese Art des Zugangs zur Gegenwart? Die globalen Visionen um 1900 können als Versuche verstanden werden, Denkfiguren zu entwickeln, die der Ausdifferenzierung von Wissen auf allen Gebieten und einer zunehmenden Unübersichtlichkeit bei gleichzeitigem Näherrücken der Welt begegnen, indem sie versuchen, diese Situation aufzulösen oder Angebote zum Umgang mit ihr machen. Welche Rolle spielt dann aber gerade die Zukunft als „Denkraum“ für solche Angebote? Welchen besonderen Zugang zur Gegenwart, welche Arten von Reflektion ermöglicht (und welche Handlungsoptionen eröffnet möglicherweise) eine (globale) Zukunftsperspektive? Grundlage des Forschungsvorhabens sind literarische Zukunftsentwürfe, aber auch nicht fiktionale bzw. wissenschaftliche und politische Texte, die globale Zukünfte und die historischen Bedingungen für deren Möglichwerden verhandeln. Außerdem interessieren mich theoretische Auseinandersetzungen mit der Zukunft, die Möglichkeiten und Potentiale von Zukunftsentwürfen reflektieren. Besonders aufschlussreich sind darüber hinaus Formen der ganz praktischen Auseinandersetzung mit der Zukunft wie Planen, Überliefern oder Kommunizieren mit der Zukunft.

Kurzbiographie

Seit 2018 Doktorandin am Kolleg

2017: M.A. Geschichte, Universität Heidelberg

2014: B.A. Geschichte und Kunstgeschichte, Universität Heidelberg