Graduiertenkolleg Funktionen des Literarischen in Prozessen der Globalisierung
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ProLit Basisseminar WS 2013/14

24.10.2013

Literatur und Psychoanalyse

Leitung

Prof. Barbara Vinken, PhD und Prof. Dr. Susanne Lüdemann

Zeit & Ort

14tägig, Do 14 - 18 Uhr c.t.; Schellingstraße 3 RG, K04b (24.10., 7.11., 5.12., 19.12., 9.1., 23.1., 6.2.)

Wenn Freud am Rande einer seiner frühesten Fallgeschichten dem Leser gesteht, es berühre ihn bisweilen eigentümlich, dass seine Krankengeschichten sich wie Novellen läsen „und daß sie sozusagen des ernsten Gepräges der Wissenschaftlichkeit entbehr[t]en“ (Studien über Hysterie), dann ist damit auf eine Komplizität von Psychoanalyse und Literatur verwiesen, die in deren beider Umgang mit der Sprache wurzelt. „Ich muss mich damit trösten“, fährt Freud an der zitierten Stelle fort, „daß für dieses Ergebnis die Natur des Gegenstandes offenbar eher verantwortlich zu machen ist als meine Vorliebe: Lokaldiagnose und elektrische Reaktionen kommen bei dem Studium der Hysterie eben nicht zur Geltung, während eine eingehende Darstellung der seelischen Vorgänge, wie man sie vom Dichter zu erhalten gewohnt ist, mir gestattet, Einsicht in den Hergang einer Hysterie zu gewinnen.“ Epistemologisch kann man aus solcher Einsicht die „narrativen Strukturen“ der Psychoanalyse ableiten (Roy Schafer / Susanne Lüdemann) oder ihr „psychodramatisches Substrat“ (Peter von Matt). Und wenn Freud wieder und wieder die Dichter als Zeugen seiner Erkenntnisse anruft und ihnen ein „endopsychisches Wissen“ um jene unbewussten Seelenvorgänge zuschreibt, die auch die Psychoanalyse beschäftigen, dann muss einen das weiter nicht erstaunen, wenn man bedenkt, dass die Psychoanalyse ihre wesentlichen Paradigmen (Ödipus-Komplex, Narzißmus, Sadismus, Masochismus) selbst aus der Literatur bezogen hat.

Entsprechend dieser Einsicht soll es im Seminar nicht um psychoanalytische Literaturwissenschaft im engeren Sinn gehen, sondern um das Wechselverhältnis von Literatur, Psychoanalyse und Theorie im 20. Jahrhundert.