Graduiertenkolleg Funktionen des Literarischen in Prozessen der Globalisierung
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ProLit Basisseminar WS 2012/13

23.10.2012 – 05.02.2013

Gespenster

Zeit und Ort
14tägig, Di 16 - 20 Uhr c.t.; 23. Oktober, 30. Oktober, 13. November, 27. November, 11. Dezember, 8. Januar, 22. Januar, [5. Februar]
Schellingstraße 3 RG, K04 B

Leitung
Prof. Dr. Christian Begemann, Prof. Dr. Tobias Döring

Gespenster sind seit der Frühen Neuzeit, und insbesondere seit dem 18. Jahrhundert, Reflexionsfiguren in vielerlei Hinsicht. Gegen alle Erwartungen hat die Aufklärung keineswegs die Gespenster aus der Welt vertrieben. Sie markiert zwar zweifellos eine Zäsur in der Rede vom Gespenstischen, indem sie die Diskurshoheit gegenüber dem ‚Übernatürlichen‘ aus der Theologie und Metaphysik tendenziell in den Bereich der Anthropologie, der Medizin, Psychologie und Ästhetik verschiebt. Doch damit werden die Gespenster gewissermaßen erst frei für eine Zweitkarriere in Schauerroman und Gespenstergeschichte, aber auch für den metaphorischen Einsatz auf den unterschiedlichsten Gebieten.
An Gespenstern werden in Literatur, Theater und Theorie seit dem 16. Jahrhundert nicht nur regelmäßig epistemologische Fragen verhandelt, die die Grenze zwischen Wirklichkeit und Einbildung, Wahrheit und Wahn immer neu vermessen. Gespenster stehen auch im Dienst psychologischer Diskussionen um die Erinnerung, die Vererbung oder das Unbewusste. Daneben treten sie im ökonomischen und sozialen Bereich auf: Das Geld und der Wert, aber auch symbolisches Kapital wie Ehre und Prestige nehmen gespenstische Züge an, und die Art und Weise ihrer soziokulturellen Befestigung wirkt gleichfalls ‚unheimlich‘. Nicht zuletzt ist es der Bereich der Medien, der Schrift und der Literatur, in dem Gespenstern in ihrer Zwischenstellung zwischen Tod und Leben, Absenz und Präsenz eine zentrale Bedeutung zuwächst: Sie dienen grundlegenden Verhandlungen medialer und poetologischer Problemkonstellationen. Insofern ist es vielleicht keine Übertreibung, wenn man ‚die Moderne‘ von Figuren der Wiederkehr und des Wiedergängertums geprägt sieht.

Das Seminar stellt die Frage, was eigentlich gesagt ist, wenn ein Phänomen als gespenstisch metaphorisiert wird: Warum kehrt eine Kategorie, die als obsolet erscheinen könnte, mit solcher Insistenz wieder? Bezeichnet sie etwas, was sich möglicherweise anders nicht sagen lässt? Aber was? Und was lernen wir als Literaturwissenschaftler von diesem Einsatz des Gespenstischen – vielleicht gerade auch mit Blick auf unsere eigene Arbeit? Das Seminar soll exemplarische literarische und theoretische Texte kombinieren und am Ende zum Versuch ermutigen, die eigenen Dissertationsthemen mit dem Gespensterthema in Verbindung zu setzen.

Ein umfangreicher Reader wird rechtzeitig vor Beginn des Semesters bereitgestellt. Zusätzlich wird um Anschaffung folgender Texte gebeten: wer Shakespeares Hamlet noch nicht besitzt, sollte sich am besten die zweisprachige dtv-Ausgabe (Übersetzung: Frank Günther) zulegen; Theodor Storm, Der Schimmelreiter (Reclam); Jean Rhys, Wide Sargasso Sea (Penguin Modern Classics).