Graduiertenkolleg Funktionen des Literarischen in Prozessen der Globalisierung
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Hauptseminar "Mehr oder weniger afrikanische Literatur" WS 2015/16

13.10.2015 – 26.01.2016

Leitung

Prof. Dr. Robert Stockhammer

Zeit & Ort

Di. 16:00 bis 20:00 c.t., 14-tägl., 13.10.2015 bis 26.01.2016, Schellingstr. 3, Rg. - R U104B

"Afrikanische Literatur gibt es nicht." Im ersten Moment erinnert dieser Satz an die Verdikte über den angeblich geschichts- und schriftlosen Kontinent Afrika, für welche G. W. F. Hegel und andere Tote Weiße Männer berüchtigt sind. Deshalb sei schnell hinzugefügt, dass der Satz von Tayie Selasi, also einer Lebendigen Schwarzen Frau stammt, die 'trotzdem' – vielmehr wohl: gerade deswegen – die Debatte darüber offen halten will, was zur 'afrikanischen Literatur' zu rechnen wäre: "Was it literature produced in Africa or about Africa? Could African literature be on any subject, or must it have an African theme? Should it embrace the whole continent or South of the Sahara, or just Black Africa?", lauten nur einige Fragen (hier in der bereits fünfzig Jahre alten Formulierung von Chinua Achebe), die besser nicht vorab entschieden werden sollten, sondern fortlaufend mitzudiskutieren sind. Anders, mit einer mittelmäßigen Metapher formuliert, geht es in dem Seminar nicht nur darum, mal über den eurozentristischen Tellerrand hinauszuschauen, sondern sich zugleich zu fragen, wie denn dieser Tellerrand eigentlich gestaltet ist und mit welchen Mitteln er permanent reproduziert wird. Das "mehr oder weniger" im Titel des Seminars ermöglicht es deshalb, durchaus auch Texte ins Spiel zu bringen, die 'nur' von Afrika handeln und/oder solche, die in Nordafrika entstanden sind, und jedenfalls wird – schon um die Apartheid nicht fortzusetzen – das Kriterium der Hautfarbe des Autors nicht über die Aufnahme möglicher Texte ins Programm mitentscheiden. Das Seminar könnte also beispielsweise mit dem Ägypten-Kapital aus Herodots Historien beginnen und mit den Aithiopika Heliodors fortgesetzt werden. Einige spätere Texte, in denen der europäische Blick auf Afrika zum rassistischen und imperialistischen geformt wird (darunter etwa die einschlägigen Passagen aus Hegels Philosophie der [Welt]Geschichte, auf die schon angespielt wurde), müssen miteinbezogen werden, weil sie den Erwartungshorizont geprägt haben, gegen den noch heute angeschrieben werden muss. Eine zentrale Rolle für das Seminar sollte zweifellos das Korpus von Texten, vor allem aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, spielen, das mit verhältnismäßig größter Plausibilität 'afrikanische Literatur' genannt wird (obwohl man noch hier einwenden könnte, es handle sich auch dabei um Produkte in aus Europa importierten Sprachen, notiert in einem aus Europa importierten Schriftsystem): also etwa Romane und Erzählungen von Amos Tutuola, Chinua Achebe, Ahmadou Kourouma, Ken Saro-Wiwa, Mia Couto oder Tsitsi Dangarembga (wobei ich nur meine eigenen Lieblingsautoren nenne und einen weglasse, über dessen 'Afrikanizität' bereits wieder sehr heftig debattiert werden könnte). Enden könnte das Seminar – wenn man sich für eine chronologische Anordnung entschließt – mit jüngsten Texten, bei denen die Zugehörigkeit zur 'afrikanischen Literatur' wiederum besonders problematisch wird, also solchen etwa von NoViolet Bulawayo, Dinaw Mengestu, Marie N'Diaye oder eben der eingangs zitierten Tayie Selasi. Fortlaufend mit einzubeziehen sind literaturwissenschaftlich akzentuierte Studien aus dem Bereich der 'Postcolonial Studies', also etwa: Bill Ashcroft u.a., The Empire Writes Back. Theory and practice in post-colonial literatures (1989), oder Chantal Zabus, The African Palimpsest: Indigenization of Language in the West African Europhone Novel.

Ich bitte, die Bereitschaft zur Mitverantwortung für einzelne Sitzungen – zu den genannten Texten oder anderen von Ihnen selbst vorgeschlagenen, die jedenfalls nicht eindeutig nicht zur afrikanischen Literatur zu zählen sind – bis 5.10. per Mail an stockhammer@lrz.uni-muenchen.de anzumelden; eine Rückmeldung erfolgt, in Sammelform, allerspätestens in der ersten Seminarsitzung.

Das Seminar findet an folgenden Terminen statt, stets vierstündig (also von 16.15-ca.19.30), soweit nicht anders vermerkt:
13.10. (16.15-17.45 Uhr), 20.10., 3.11., 17.11., 1.12., 15.12., 12.1. und 26.1.

Erwartet wird regelmäßige Anwesenheit und aktive Mitarbeit sowie die Bereitschaft, die Mitverantwortung für eine Sitzung zu übernehmen.