Graduiertenkolleg Funktionen des Literarischen in Prozessen der Globalisierung
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Online-Konferenz "The Political Uses of Literature"

05.02.2021 – 06.02.2021


The Political Uses of Literature: Comparative Approaches, Theoretical Perspectives


Inhaltliche Skizze:

Historisch nimmt die Tagung die komplexe Verschränkung von Literatur und politischem Engagement seit ca. 1920 in den Blick. Die politisierte Literatur der 1920er und 1930er Jahre wurde dabei gezielt als Ausgangspunkt der literaturhistorischen Betrachtung gewählt, da in dieser Zeit zentrale Motive der theoretischen Diskussion über die Politisierbarkeit von Literatur – z. B. die Frage nach dem Verhältnis von formaler Komplexität bzw. semantischer Ambiguität einerseits und politischer Indienstnahme bzw. Instrumentalisierbarkeit andererseits – geprägt wurden. Der wesentlich internationale Charakter dieser Debatten – der nicht zuletzt durch die Herausbildung hegemonialer Machtblöcke in Ost und West während des Kalten Kriegs weiter befördert wurde – macht dabei einen literaturwissenschaftlichen Zugang erforderlich, der nationale Kontexte konsequent überschreitet. Dies ist um so mehr der Fall, als seit dem Ende der binären Weltteilung (scheinbar) ‚die geistigen Erzeugnisse der einzelnen Nationen [...] Gemeingut‘ werden und ‚aus den vielen nationalen Literaturen [...] sich eine Weltliteratur‘ bildet. Im gegebenen globalen Rahmen muss sich die Frage der Relevanz der internationalistischen Literaturverhältnisse der Zwischenkriegszeit erneut stellen. Die einschlägigen Arbeiten der zu dieser Tagung eingeladenen WissenschaftlerInnen zeichnen sich entsprechend durch ein einerseits dezidiert transnationales Interesse an der Geschichte und Theorie politisierter Literatur und andererseits an den spezifisch literarischen Prozessen der globalen Politisierung aus. Deshalb beschränken die TeilnehmerInnen ihre Aufmerksamkeit nicht nur auf die Zwischenkriegszeit: Vielmehr werden die Beiträge zu dieser Tagung ein breiteres Spektrum politisierter Literatur des heutigen literaturpolitischen Paradigmas in den Blick nehmen.

Hauptziel der Tagung ist es, ein in der gegenwärtigen Literaturwissenschaft vernachlässigtes internationales Korpus literarischer Texte und theoretischer Debatten sichtbar zu machen und es einer wissenschaftlichen Erschließung zu öffnen. Gerade die vergleichende Herausarbeitung theoretischer Debatten zur politischen ‚Nutzbarmachung‘ von Literatur hat dabei Pioniercharakter. Zum einen erlaubt sie eine kritische Hinterfragung aktueller literaturtheoretischer Arbeiten, die den abgeschlossenen Werkcharakter literarischer Texte systematisch zugunsten einer Untersuchung ihres Gebrauchscharakters aufbrechen. Suchen diese neueren Arbeiten zumeist Anschluss an Spielarten der Akteur-Netzwerk-Theorie – d. h. verstehen sie den ‚Gebrauchscharakter‘ literarischer Texte als unausweichliches, jedoch nicht notwendigerweise als intendiertes oder gar deklariertes Merkmal von literarischen Werken –, wendet sich unsere Tagung Formen der politischen Literatur zu, deren Wesen ohne eine (oftmals explizite) politische Zielsetzung gar nicht erst denkbar wäre.


Die zu der Tagung eingeladenen Gäste werden folgende Problemkomplexe aufgreifen:

1) (Nach)revolutionäre Paradigmen. Hatte sich in den 1920er Jahren, d. h. gewissermaßen im Kielwasser der europaweit angestoßenen sozialen Revolutionen und des Imperienzerfalls, nicht nur in politisch-sozialer, sondern auch in literarischer Hinsicht ein revolutionäres Paradigma etabliert, entwickelt sich die heutige globale Literatur in einem dezidiert a-revolutionären Umfeld. Die Frage, die sich dabei für uns stellt, betrifft den eigentlichen Inhalt und die Funktion der in diesem Umfeld dennoch häufig vernehmbaren Anrufung von ,Revolution‘: Könnte es sein, dass es sich dabei um mehr als um eine bloß theoretische Auferstehung eines wiederholte Male verdrängten Phantasmas handelt, sondern um ein neuerdings wieder gesteigertes Interesse an der politischen und gesellschaftskritischen ‚Nutzbarmachung’ von Literatur? Welche Rolle spielen hier genau die gegenwärtigen literarischen Auseinandersetzungen mit der Idee der Revolution?

2) Realismus-Debatte. Literaturwissenschaftlich betrachtet mag vor allem die erneut aufgelebte Realismus-Debatte einige Wege in die diesbezügliche zwischenkriegszeitliche Vorgeschichte weisen. Wie einst der „kritische Realismus“ wird gegenwärtig der sog. „capitalist realism“ als symptomhafte Ausprägung einer a-revolutionären Welthaltung diskutiert. Gleichzeitig werden aber auch seitens der Literaturwissenschaft sowie der Literaturproduzenten Versuche unternommen, das subversive bzw. aktivistisch-gesellschaftskritische Potenzial mimetischer Verfahren in der Literatur neu zu beschreiben und zu schärfen.

3) Erzieherische und ethische Funktionen von Literatur. Wird letztendlich die politische und pädagogische Pragmatisierung von Literatur, wie sie im Zuge der zwischenkriegszeitlichen Politisierung von Kultur gefordert und mancherorts geflissentlich betrieben wurde, als autonomiewidriger Missbrauch von Literatur betrachtet, bleibt die Idee einer durch die Literatur vollzogenen ethischen ‚Bildung‘ (engl. ‚education‘), wie sie zuletzt z. B. von der postkolonialen Kritik gefordert und betrieben wurde, scheinbar ohne Widerspruch. Hier halten wir es für geboten, gegenwärtige Ansätze im Spiegel oftmals verdrängter Debatten der Zwischenkriegszeit – zur politischen Literatur bzw. zur Politisierbarkeit von Literatur – kritisch zu reflektieren und aus komparatistisch-globaler Perspektive neu zu beleuchten.

 

Anmeldung:

Die Konferenz wird online stattfinden. Wenn Sie sich für die Konferenz anmelden und einen Zoom-Link für diesselbe zugeschickt bekommen möchten, schreiben Sie bitte eine E-mail an Ivana Perica (ivana.perica@lrz.uni-muenchen.de) und Benjamin Kohlmann (benjamin.kohlmann@ur.de). Sie können den aktuellen Updates auch auf Facebook folgen.

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